Von Vorbildern. Und peinlichen Bildern.
Wie sich meine Vorbilder im Laufe der Jahrzehnte geändert haben und wie sie zumindest in jungen Jahren für peinliche Fotos gesorgt haben.
Wer heutzutage an prominente Zauberer denkt, dem kommen als erstes wahrscheinlich die beiden ehrlichen Brüder in den Sinn, die im TV und auf der Bühne die Massen begeistern. In den 90ern, in denen ich magisch sozialisiert wurde, war das anders.
Mein Weg zur Magie und auf die Bühne führte ganz klassisch über den Zauberkasten – nur, dass ich danach einfach nicht mehr aufgehört habe, von der Zauberei fasziniert zu sein. Begünstigend für diesen Umstand war die Tatsache, dass es meinem Vater ähnlich ging. Und da er Rektor an einer Schule war, in der ein großes Schulfest seine Schatten voraus warf, kamen wir auf die grandiose Idee, in den Sommerferien einen Zig-Zag-Kasten zu bauen, in dem meine Schwester dreigeteilt werden konnte. Denn damit wollten wir auf die Bühne! Zu dieser Zeit war es natürlich Essig mit Internet und YouTube – doch irgendwie hatten wir durch die richtigen Kontakte einige Zaubergerätehändler und deren Kataloge und Prospekte in die Hände bekommen. Und dort konnte man auch Baupläne für Illusionen kaufen. Einige dieser Baupläne schlummern auch heute noch in einem dicken Leitz-Ordner im Regal. Gebaut haben wir letztendlich nur diesen einen Kasten – auch dieser existiert noch.
Woher kam die Faszination für Magie? So ganz genau kann man das wahrscheinlich nicht mehr sagen, doch in den 90ern kam eine erste große Magie-Welle aus Amerika nach Deutschland herüber geschwappt, indem RTL einige Fernseh-Specials von David Copperfield ausstrahlte, begleitet durch Interviews, Dokus und der Ankündigung einer Live-Tour durch Deutschland. Natürlich waren wir dort, in Frankfurt, mit selbst beschriftetem Bettlaken und selbst bedruckten Fanshirts… Ich weiß auch noch, dass wir zu dieser Zeit keine „Schüssel“ hatten, also kein Satellitenfernsehen empfangen konnten. Wir haben uns also bei den Nachbarn getroffen, um die Fernseh-Specials von David Copperfield auf RTL zu sehen und auf VHS aufzunehmen.
Was mich damals an der Art Copperfields begeistert hat, war seine Fähigkeit, Geschichten zu erzählen und dramatisch in Szene zu setzen. Deshalb war er auch lange Zeit mein Vorbild. Auch beim Friseur. Ich bin tatsächlich mit einem Foto aus einer Fernsehzeitschrift zum Friseur gegangen und wollte seine Frisur haben – das hat immer nur so mittelmäßig geklappt.
Erste Bühnenauftritte mit meinem Papa folgten, auch bei besagtem Schulfest. Wenige Fotos davon existieren noch… Ich erinnere mich aber noch genau an das Gefühl aus dieser Zeit. Wenn man sich einer Leidenschaft voll und ganz verschreibt und viel Zeit hat, sich dieser zu widmen. Zu lesen, zu experimentieren und vor allem zu träumen. Geträumt habe ich viel. Davon, wie es sein muss, wie David Copperfield auf der Bühne zu stehen. Dass mir dabei als Kind in den 90ern Grenzen im Weg lagen, war mir bewusst. Aber es war mir auch bewusst, dass ich irgendwann erwachsen sein würde. Und die Grenzen aus dem Weg räumen könnte. Gleichzeitig wusste ich aber auch, dass viele Erwachsenen die Träume ihrer Kindheit im Laufe des Lebens wieder vergessen oder beiseite schieben. Davor hatte ich Angst. Deshalb habe ich zu dieser Zeit einen Brief geschrieben. An mich selbst, wenn ich erwachsen bin. Darin stand, dass es mein größter Traum ist, Zauberer zu werden. Und ich mein erwachsenes Ich darum bitte, das nicht zu vergessen. Dieser Brief ist leider nicht mehr auffindbar. Aber ich kann ihn noch fühlen.
Und wie es dann so läuft, long story short: Irgendwann zwischendurch verlor ich den Fokus für die Zauberei. Wahrscheinlich mit der Pubertät. Mein Vater starb unerwartet. Ich räumte in seinem Arbeitszimmer auf und fand Kisten mit Zauberbüchern und -material. Und ich fing wieder an, zu zaubern. Da ich dann schon „erwachsen“ war, konnte ich tatsächlich einige Grenzen überwinden. Ich kam in Kontakt mit Kollegen, konnte mir eine erste Homepage bauen und erste Auftritte gegen Geld absolvieren. Und damit ging es seitdem immer weiter. Bis heute.
Die Vorbilder haben sich natürlich verändert. Ich möchte nicht mehr in Las Vegas auf der Bühne stehen. Auch nicht die Massen begeistern wie die eingangs erwähnten ehrlichen Brüder. Ich nahm mir Sprechzauberer aus Deutschland zum Vorbild, so wie Helge Thun. Auch er erzählt Geschichten, hauptsächlich mit Worten. Die magischen Effekte begleiten diese scheinbar nur zufällig. Meine Faszination für Feuer konnte ich endlich ausleben und das Jonglieren und Schwingen mit Flammen lernen. Mit meinem Kollegen eine abendfüllende Varieté-Show auf die Beine stellen. Viel probieren, vieles wieder sein lassen.
Nur das „Zauberer-Sein“, das habe ich – mit einer ganz kurzen Unterbrechung – nie wieder sein lassen. Über 30 Jahre sind seit meinem ersten Auftritt auf dem Schulfest vergangen. Ob ich nochmal 30 weitere Jahre schaffe, das weiß ich nicht. Aber ich werde es versuchen!